Mabel und Tom wurden Freunde und er besuchte sie die
nächsten drei Jahre ein- oder zweimal pro Woche. An manchen Tagen las er ihr
aus der Bibel vor und wenn er aufhörte, trug sie den Abschnitt weiter vor, aus
dem Gedächtnis und Wort für Wort. An anderen Tagen nahm er ein Liederbuch und
sang mit ihr, und sie kannte die Texte der ganzen alten Lieder auswendig. Für
Mabel waren das nicht einfach Übungen für ihr Gedächtnis. Sie hörte oft mitten
in einem Lied auf und kommentierte einen Text, der ihr besonders passend für
ihre Situation erschien.
Während einer hektischen Woche war Tom frustriert, weil sein
Verstand in zehn Richtungen gleichzeitig gezogen wurde, weil er an so viele
Dinge denken musste. Da tauchte in ihm die Frage auf: „Woran denkt Mabel die ganze
Zeit? Stunde für Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche, ohne zu wissen, ob nun
Tag oder Nacht ist?“ Also ging er zu ihr und fragte sie: „Mabel, an was denkst
du, wenn du hier liegst?“ Und sie sagte: „Ich denke über meinen Jesus nach.“
Tom saß da und dachte daran, wie schwer es ihm fiel, auch
nur fünf Minuten über Jesus nachzudenken, und so fragte er sie: „Und was genau
denkst du dann?“ Sie erwiderte langsam und überlegt: „Ich denke darüber nach, wie gut
er zu mir war. Er war schrecklich gut zu mir in meinem Leben, weißt du…“
Diese Geschichte von Tom und Mabel ist nicht erfunden. Tom
kannte sie und ihre Geschichte, ihre Schmerzen, ihr Schicksal. Sekunden tickten
und Minuten verstrichen, und Tage und Wochen und Monate und Jahre vergingen, in
denen sie Schmerzen litt, keine menschlichte Gesellschaft hatte und keine
Erklärung dafür, warum das alles passierte. Und sie lag da, sang Loblieder und
dachte darüber nach wie gut Gott zu ihr war. (Quelle:
John Ortberg, Das Leben nach dem du dich sehnst, Projektion J, 1998, S. 25-29.)
Solche Geschichten finde ich regelrecht beschämend, aber
gleichzeitig auch aufbauend und herausfordernd. Bewahrheitet sich hier nicht
der Vers aus Römer 8:28?
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben,
alle Dinge zum Besten dienen,
denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.
Mabel war blind (neben all den anderen Leiden). Aber ihre
Blindheit half ihr die Ablenkungen des Lebens zu ignorieren und Gemeinschaft
mit Jesus zu haben. In dieser Gemeinschaft mit Jesus wuchs eine Dankbarkeit,
die für die meisten von uns gesunden Normalbürgern völlig unverständlich ist. Mabel
war gesegnet mit einem Segen, den die meisten von uns nicht kennen.
Lebenszeugnisse wie dieses machen mich dafür dankbar, wie
gut es mir geht und fordern mich gleichzeitig heraus, auch in den Nöten des
Lebens Gottes segnende Hand zu suchen.
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