Die Waagschalen (C.H. Spurgeon)
"Was
meine Großmutter uns aus der Bibel erzählte, das lebte sie uns im
täglichen Leben vor. Sie war still, sonnig, immer freundlich und war
eine treue Beterin. Ihr ganzes Leben war ein einziges Lieben und
Ertragen von unsagbaren Nöten. Sie lebte an der Seite eines Mannes, der
gerade das Gegenteil war. Hart, undankbar, ichsüchtig, ein Flucher, der
nie zufrieden war. Hatte er seinen "schlimmen Tag", so mussten wir
eilends das Haus verlassen. Schon unter der Tür klärte sie uns liebend
auf und meinte: "Kinderchen, geht schnell, der Nordwind weht! Betet für
den Großvater, er geht sonst verloren!" Oft verstanden wir die
Großmutter nicht mehr und sagten: "Wenn er so ist, dann hat er es auch
nicht anders verdient!"
Als ich einmal zu ihr sagte: "Großmutter, gib doch dein Beten für den Großvater auf, es hat doch keinen Sinn, er wird ja immer nur noch schlimmer zu dir", da nahm sie mich an der Hand und führte mich in die Küche. Dort stellte sie eine Küchenwaage auf den Tisch und gab mir folgende Erklärung: "Diese Küchenwaage hat zwei Waagschalen. Nun stell dir einmal vor, Gott habe eine solche Waage für uns bereitgestellt. Hier wird alles, was wir tun, gewogen. Und nun denke dir, in der einen Waagschale sitzt dein schwer gebundener, hartherziger Großvater. Er hat mit seinem steinernen Herzen schon ein ganz beachtliches Gewicht. In der andern Schale aber liegen die schwachen Gebete deiner Großmutter und die von euch Kindern. Vergleichst du so ein Gebet mit dem Gewicht eines Kalenderzettels, so ist dies, im Vergleich zu dem schweren Großvater, gar nichts! Nimmst du aber einen Jahreskalender mit 365 Zettelchen auf die Hand, dann ist es schon ein wenig schwerer. Und nun denke dir 50 ganze Kalender! Die sind schon gehörig schwer! So lange bete ich jetzt für den Großvater. Ich bin überzeugt, es kann nicht mehr viel fehlen, bis unsere Gebete mehr wiegen als Großvater, und sie werden ihn zum Himmel emporziehen. Wäre es nicht schade, wenn wir jetzt müde würden in unserm Beten? Wenn du täglich treu mit betest, wird Gott uns erhören." Und so betete ich noch sieben Jahre mit der Großmutter um die Errettung des Großvaters. Nachdem sie 57 Jahre im Gebet für ihren armen Mann durchgehalten hatte, nahm der Herr Jesus sie zu sich. Sie starb, ohne die Freude der Bekehrung des Großvaters erlebt zu haben.
Erst am Sarge der Großmutter brach der
hartherzige Großvater zusammen und übergab sein Leben dem Heiland mit
unbeschreiblichen Reuetränen. Gerade ich, die vor sieben Jahren noch der
Grußmutter den Rat gab, nicht mehr zu beten, durfte mit dem 83jährigen
Greis niederknien und seine Umkehr erleben. Der einst so gefürchtete
Tyrann wurde zu einem sanften, liebenden, treu betenden Großvater, der
jeden seiner Besucher unter Tränen ermahnte, sein Leben dem Herrn zu
geben. Das Gewicht der Gebetswaagschalen hatte also den alten Großvater
doch noch nach oben gezogen. Und Großmutter darf nun im Himmel dafür
danken."
Wir mögen auf der Erde nicht immer die Erhörung unserer Gebete sehen. Es
mag Stimmen in uns und um uns geben, die uns frustrieren und vom Beten
abhalten möchten. Bete weiter! Unser Gott ist der Einzie, der in Gnade
unsere Gebete hört, annimmt und erhört. Wer nicht betet, wird diese
Erfahrung niemals machen!
Nimm teil an den Gebetsstunden Deiner Gemeinde. Wenn es keine
Gebetsstunde mehr gibt, beginne eine. Und sei ermutigt, anzuhalten am Gebet!