„Rette die, die unschuldig zum Tode verurteilt wurden; sieh nicht untätig zu, wie sie sterben.“ (Sprüche 24:11/NLB)

Donnerstag, 6. Juli 2017

Wer bin ich?

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs starb Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg durch die Hand der Nationalsozialisten. Sein Gedicht: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ ist weit bekannt, ist zitiert und vertont worden. Ein weiteres Gedicht gibt Einblick in das Herz eines Mannes, der im Herzen all die Fragen stellt, die ein angefochtener Christ sich selbst und seinem Gott stellt. Gleichzeitig wird deutlich, dass auch in tiefster Not und dunkelster Todesstunde Gottvertrauen bis zum Ende möglich ist.

WER BIN ICH?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
Und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
(aus: Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung)
Möge Jesus auch Dir und mir in jeder Situation die Zuversicht und Gelassenheit geben, dass wir Sein sind, Ihm gehören und Er sich kümmern wird. Uns allen, die wir mit Jesus verbunden sind gilt Sein Zuspruch aus Hebräer 13:5:

»Ich will dich nicht aufgeben und dich niemals verlassen!«

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