Vor Jahren haben wir mittwochs in unserer Bibelstunde jeden
Mittwoch ein Buch des Alten Testaments überblickmäßig durchgenommen. Darunter war der Prophet Joel. Bei den kleineren Propheten nehme ich mir Zeit, das ganze
Buch vorher im Zusammenhang durchzulesen und einen Kommentar über das Buch zu
lesen. Der Bibellehrer Warren B. Wiersbe hat eine ausgezeichnete Kommentarreihe
verfasst, in der er jedes Buch des Alten Testaments beschreibt und in Kürze
erklärt.
Beim Lesen seines Kommentars fiel mir gleich zu Beginn ein Satz
ins Auge, in dem er die Sünden nennt, die der Prophet Joel dem Volk Israel
vorwerfen muss. Wohl alle der alttestamentlichen Propheten riefen ihre Zuhörer
zur Umkehr auf und prangerten die Sünden der Völker an, zu denen sie gesandt
waren. Fast immer waren Götzendienst, Unmoral und geistliche Armut dabei.
Anders bei Joel. Wiersbe schreibt:
Außer dem Hinweis auf
die Unaufrichtigkeit einiger Beter ist Trunksucht die einzige Sünde, die Joel
in seinem Buch konkret benennt.“ Dies war jedoch eine ernste Sünde, die von den
Propheten oft kritisiert wurde.
Trunksucht und unaufrichtiges Gebet als die beiden Sünden; wichtig genug, namentlich erwähnt zu werden. Das
hat mich nun doch überrascht. Und dann auch wiederum nicht.
Überrascht hat es mich, weil man denken könnte: Es gibt doch
Schlimmeres. Solange der Trinker niemandem schadet (außer vielleicht sich
selbst) – solange er nicht randaliert – solange er sich nicht regelmäßig
betrinkt – solange er nicht Frau und Kinder schlägt und das Auto zu Hause lässt
- was soll’s. Betrunken war doch jeder schon mal und manche sind’s regelmäßig.
Trunksucht gehört doch sicher nicht zu den wirklich schlimmen Sünden. DOCH! So schlimm, dass Gott sie im ganzen Buch
Joel als eine von zwei Sünden nennt, die das Gericht über Gottes Volk bringen. Wenn
man sich anschaut, was Trunksucht in unserer Welt anrichtet, kann man es
verstehen. Wenn man sich anschaut, was Trunksucht im Leben von Christen anrichtet,
auch. Was Trunksucht angeht, muss nicht Gott Seine Beurteilung an die unsere
anpassen, sondern wir unsere Beurteilung an Seine.
Die andere Sünde ist unaufrichtiges Gebet. Joel schreibt in
2:12+13a:
„Doch auch jetzt noch, spricht der Herr, kehrt um zu mir
von ganzem Herzen, mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen!
Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider“
Scheinbar hatte das Volk noch nicht ganz mit dem Beten
aufgehört. Aber sie beteten, ohne umzukehren. Sie liefen also in die falsche
Richtung und erledigten nebenbei ihre „Gebete“. Ihre Gebete waren halbherzig,
ohne Inbrunst, ohne Empfindung, ohne Gefühl. Ihre Herzen waren nicht gebrochen,
nicht zerrissen. Um das vorzutäuschen, zerrissen sie ihre Kleider.
Abwesendes oder halbherziges Gebet ist die zweite Sünde, die
Joel als Grund des Gerichts über Gottes Volk erwähnt. Sicher hätten viele oder
alle der anderen Sünden, die die Propheten erwähnen – Götzendienst, Unmoral,
soziale Ungerechtigkeit etc. … gar nicht erst Wurzeln gefasst, wäre Gottes Volk
ein betendes Volk gewesen. Hätten sie ihre Herzen „zerrissen“ über die Sünde,
hätten sie ihre Gebete nicht als Pflicht und im Vorübergehen vor ihren Gott
gebracht, und hätten sie ihren Dank und ihre Anliegen mit Inbrunst vor dem
Thron des Allmächtigen ausgeschüttet, dann hätten Er erhört und sich ihnen in
Gnade zugewandt,
„…denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig
und von großer Gnade!“(Joel 4:13b)
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