„In manchen schwachen
Momenten - und davon gab es viele – habe ich entsprechend der privilegierten
westlichen Kultur gebetet und nicht gemäß Gottes Willen. Ich habe um
beruflichen Erfolg, ausgezeichnete Gesundheit, sichere Ferien und ein
glückliches Heim gebetet. Einmal betete ich, dass Gott meinen Sohn motivieren
solle, fleißiger zu studieren, damit er die High School mit einem Durchschnitt
von 1.0 abschließen würde. Einmal betete ich für eine Rolle für meine Tochter
in einem Theaterstück.
Mir fällt auf, wie
egoistisch meine Gebete waren und immer noch sind. Vielleicht bete ich so, weil
die Kultur, in der ich lebe, diese Wünsche in mir geweckt und versprochen hat,
natürlich mit Gottes Hilfe, sie zu erfüllen. Sind meine – sind unsere – Gebete
zu weltlich geworden? Die Geschichte selbst scheint gegen uns auszusagen" (S 183) (…)
Die Heiligen in der
Wüste aßen spartanisch, fasteten und beteten, pflegten ihre Hingabe an Gott und
pflegten die Armen. Ein Mann, John Cassian, war so fasziniert von der Bewegung,
dass er in die Wüste reiste und unter diesen Wüstenheiligen drei Jahre lang
lebte. Besonders war er von ihren Gebeten beeindruckt. Er beobachtete, wie sie
beteten und kommentierte: ‚[Ihr Gebet] enthält keine Forderungen nach Reichtum,
keinen Gedanken der Ehre, keine Bitte um Macht, keine Frage nach Gesundheit
oder langem Leben. Der Autor der Ewigkeit hätte nicht gewollt, dass wir ihn um
flüchtige, armselige und vergängliche Dinge bitten.’ Wir sollten, wie Cassian
es sagte, um Befreiung von unseren egoistischen Interessen beten und nicht
darum, dass sie erfüllt werden. (S 185) (…)
Die Märtyrer beteten
um Erlösung. Manchmal wurden ihre Gebete erhört; meistens aber nicht. In beiden
Fällen beten sie jedoch für etwas, das für sie wichtiger war als Erlösung. Sie
beteten darum, dass sie Gott treu bleiben könnten und er ihnen Kraft geben
würde, wenn sie mit Folter und Hinrichtung konfrontiert würden, dass Gott durch
ihren Tod verherrlicht werden und ihr Martyrium andere zu Christus bringen
würde.
Drittens scheinen Christen
aus früheren Zeiten in die Souveränität Gottes mehr Vertrauen gehabt zu haben
als wir heutzutage. Sie konnten sich viel weniger vorstellen, was diese Welt zu
bieten hat, hatten aber eine viel größere Hoffnung auf das Leben im Himmel. Sie
hielten das Leben auf der Erde nicht für wertlos – auch sie heirateten und
zogen Kinder groß, arbeiteten und spielten. Sie glaubten, dass das Leben mit
seinen schönsten Momenten nur ein Wink des Himmels ist, wie eine Vorspeise zu
Beginn eines luxuriösen Essens. Egal, wie schlecht ihr Leben auf der Erde sein
mochte, vertrauten sie darauf, dass Gott sie auf den Himmel vorbereitete. (…)
Wenn sie um Erlösung beteten und Gott nicht darauf antwortete, beteten sie im
Vertrauen auf Gott weiter, dass er gemäß seinem Plan und zu seiner Zeit handeln
würde, und nicht nach ihrem. Unbeantwortete Gebete erzeugten keine Krise, so
wie es heute oft geschieht. (S 186/187)
Soweit die heutigen Auszüge aus Sittsers Buch, das leider
nur noch antiquarisch zu finden ist. Wie sehr unsere Kultur uns und unsere
Gebete prägt, zeigen diese Zeilen. Ebenso, wie sehr der Mensch meint, Gottes
Willen zu kennen – und wie sehr er sich irren kann. Gottes Wille ist nicht
zwangsläufig immer unser Wohlergehen, unsere Gesundheit, unser Erfolg oder
unser Recht. Gottes Wille ist Seine Verherrlichung und der Bau seines Reiches.
„Herr, lehre uns beten!“
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