Zuweilen ist ihnen der Gedanke an eine Erweckung fern,
obwohl sie sonst inbrünstig beten. Ihr Geist ist mit etwas anderem beschäftigt,
vielleicht mit der Heidenmission, und sie beten für diese, aber nicht für eine
Erweckung in ihrer nächsten Umgebung. Fühlen sie sich jedoch von der
Notwendigkeit einer Erweckung durchdrungen, so bitten sie Gott, eine solche zu
geben; schon um ihrer Angehörigen und Freunde willen lassen sie Ihm keine Ruhe,
bis ihre Bitte erhört ist.
Worin besteht der Gebetsgeist? In vielen und inbrünstigen
Gebeten? Nicht ausschließlich. Der Gebetsgeist ist ein beständiges
Bekümmertsein und ein ununterbrochenes Ringen um das Seelenheil der
Unbekehrten. Es ist etwas, was schier zu Boden drückt. Es ist dasselbe Gefühl,
das ein Mensch empfindet, wenn er irgendeiner zeitlichen Angelegenheit wegen
beunruhigt ist. Ein Kind Gottes, das diesen Gebetsgeist hat, ist um das
Seelenheil seiner Mitmenschen bekümmert. Seine Gedanken sind beständig damit
beschäftigt, und es sieht aus und handelt wie einer, der eine schwere Last auf
dem Herzen hat. Es denkt den ganzen Tag über daran und träumt des Nachts davon
- mit einem Worte: es betet ohne Unterlass. Es entströmt seinem Herzen
fortwährend die Bitte: "Oh Herr, belebe dein Werk wieder!"
Manchen Leuten liegt der Zustand der Unbekehrten so sehr auf
dem Herzen, dass sie wie unter einer schweren Last beinahe zusammenbrechen, und
zwar kommt das häufiger vor, als man denkt. In den großen Erweckungen von 1826
sah man derartige Fälle oft. Das ist kein Enthusiasmus, sondern es ist dasselbe,
was Paulus empfand, als er sagte: "Meine Kindlein, die ich abermals mit
Schmerzen gebäre ..."
Diese Seelenarbeit äußert sich bei gewissen Leuten in einer
namenlosen Herzensangst, die ihnen keine Ruhe lässt, bis sie des Segens gewiss
sind, den sie so anhaltend von Gott erflehen. Nicht als ob ich damit sagen
wollte, es sei kein richtiger Gebetsgeist vorhanden, wo nicht diese
Herzensangst ist, ich will nur damit zu verstehen geben, dass aus einem solchen
inbrünstigen, anhaltenden, tiefen Verlangen nach der Rettung der Unbekehrten
der Gebetsgeist hervorgeht, der zur Erlangung einer Erweckung notwendig ist.
Wenn dieses Verlangen in einer Gemeinde herrscht, darf man
mit Bestimmtheit mit einer Erweckung rechnen, es sei denn, dass der Geist
Gottes irgendwie betrübt wird. Dieses inbrünstige Verlangen steigert sich mehr
und mehr, bis endlich die Erweckung kommt ...
Im allgemeinen gibt es wenige Kinder Gottes, die dieses
obsiegende Gebet aus Erfahrung kennen. Ich habe oft mit Erstaunen
Erweckungsberichte gelesen, aus denen man den Eindruck bekommen musste, als
seien die betreffenden Erweckungen ohne irgendwelche Veranlassung gekommen -
niemand wusste, warum oder wozu. Ging ich der Sache nach, so hörte ich, die
Gemeindeglieder hätten plötzlich eines Sonntags deutlich gespürt, dass Gott in
ihrer Mitte sei. In andern Fällen war in einer Gebetsstunde oder
Privatversammlung etwas derartiges bemerkt worden, und die Leute waren ganz
erstaunt über das geheimnisvolle, souveräne Walten Gottes, der ohne
irgendwelche äußere Veranlassung eine Erweckung wirkte.
Nun beachtet, was ich euch sage: Wenn ihr in der Gemeinde
Nachfrage haltet, wird es sich in der Regel herausstellen, dass irgend jemand
um eine Erweckung gebeten und sie erwartet hatte, dass irgendein Mann oder eine
Frau so lang und so inbrünstig um das Seelenheil der Unbekehrten mit Gott
gerungen hatte, bis der Segen erlangt war. Letzterer hat den Geistlichen und
die ganze übrige Gemeinde vielleicht im Schlafe überrascht, so dass sie
aufgefahren sind, sich die Augen gerieben haben und gar nicht begreifen
konnten, woher die plötzliche Aufregung kam. Aber so wenige auch die
Verantwortung zu der Erweckung kennen mochten, dürft ihr fest überzeugt sein, dass
irgend jemand auf dem Turme Wache gehalten und nicht nachgelassen hatte mit
Bitten, bis der Segen da war. Gewöhnlich steht die Ausdehnung der Erweckung im
Verhältnis zu der Anzahl der Beter.
Quelle: "XXII Reden von
Ch. G. Finney über religiöse Erweckungen", Übersetzt von E. von
Freilitzsch, erste Hälfte, Rede 1 XII Düsseldorf 1903, Seiten 53, 54, 27, 29
und 31, gekürzt und leicht bearbeitet QUELLE: HIER
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