Kalte Gleichgültigkeit, das war die Atmosphäre hier in X, als Pfarrer Wright sein Amt antrat. Am ersten Sonntag predigte er in einer völlig leeren Kirche. Am zweiten Sonntag war es genauso. Und wenn der Pfarrer an den Werktagen seine Gemeindeglieder besuchte, erging es ihm nicht besser. „Die Kirche ist tot“, so sagte man ihm. Aber am Donnerstag nach jenem trostlosen Sonntag geschah es, dass eine Todesanzeige in der Zeitung erschien. Dort konnte man lesen:
Mit dem tiefsten Bedauern und der Zustimmung der Gemeinde gebe ich den Tod der Kirche zu X bekannt. Die Trauerfeier findet am Sonntag um 11 Uhr statt. Herbert Wright, Pfarrer zu X
Die Anzeige löste lebhafte Diskussionen aus. Am Sonntag war bereits um halb elf die Kirche gedrängt voll. Als ich die Kirche betrat, sah ich einen Sarg auf einer Bahre vor dem Altar stehen. Pünktlich um 11 Uhr bestieg Pfarrer Wright die Kanzel:
„Meine Freunde, Sie haben mir klargemacht, dass Sie überzeugt sind, unsere Kirche sei tot. Sie haben auch keine Hoffnung auf Wiederbelebung. Ich möchte nun diese Ihre Meinung auf eine letzte Probe stellen. Bitte gehen Sie einer nach dem anderen an diesem Sarg vorbei und sehen Sie sich die Tote an. Dann verlassen Sie die Kirche durch das Osttor. Danach werde ich die Trauerfeier allein beschließen. Sollten aber einige von Ihnen ihre Ansicht ändern und wären auch nur wenige der Meinung, eine Wiederbelebung der Kirche sei vielleicht doch möglich — dann bitte ich diese, durch das Nordtor wieder hereinzukommen. Statt der Trauerfeier würde ich dann einen Dankgottesdienst halten.“
Ohne weitere Worte trat der Pfarrer an den Sarg und öffnete ihn. Ich war einer der letzten in der Reihe vor dem Sarg. So hatte ich Zeit, darüber nachzudenken: „Was war eigentlich die Kirche? Wer würde wohl im Sarg liegen? Würde es vielleicht ein Bild des Gekreuzigten sein?“ Die anderen in der Reihe dachten wohl ähnlich. Ich merkte, wie uns ein Schaudern überkam, je mehr wir uns dem Sarg näherten. Zudem erschreckte uns ein Knarren und Quietschen. Die Tür des Nordtors drehte sich in ihren verrosteten Angeln. Herein trat eine kaum zu zählende Menge.
Nun war es soweit, dass ich die tote Kirche sehen sollte. Unwillkürlich Schloss ich die Augen, als ich mich über den Spiegel beugte. Als ich sie öffnete, sah ich mich selbst — im Spiegel.
Soweit der Bericht des unbekannten Kirchenbesuchers. Er stimmt nachdenklich. Wenn eine Kirche oder eine Gemeinde stirbt – wer stirbt dann eigentlich? Wer ist dann eigentlich für den Tod verantwortlich? Um wessen Grablegung geht es dann?
In 1 Korinther 3:16 und 6:19 wird der Leib eines Christen, aber auch der Leib Jesu, die Gemeinde, als Tempel des Heiligen Geistes bezeichnet. In 1 Korinther 3:16 schreibt Paulus:
Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und dass der Geist Gottes in euch wohnt?
Der Tod und das Leben einer christlichen Gemeinschaft hat auch immer mit dem geistlichen Leben und der Verbindlichkeit und Hingabe der einzelnen Glieder zu tun. Wenn die einzelnen Glieder sterben, ist irgendwann die Grablegung der ganzen Gemeinde angesagt. Das muss aber nicht sein. Der Herr hat deutliche Hilfen in Seinem Wort gegeben, damit das nicht passiert:
Dient einander, jeder mit der Gnadengabe, die er empfangen hat, als gute Haushalter der mannigfaltigen Gnade Gottes. (1. Petrus 4:10)
Und lasst uns unsere Zusammenkünfte nicht versäumen, wie einige es tun, sondern ermutigt und ermahnt einander, besonders jetzt, da der Tag seiner Wiederkehr näher rückt! (Hebräer 10:25)
Wie ist es nun, ihr Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat jeder von euch etwas: einen Psalm, eine Lehre, eine Sprachenrede, eine Offenbarung, eine Auslegung; alles lasst zur Erbauung geschehen! (1 Korinther 14:26)
Euch allen einen gesegneten Sonntag in Euren Gemeinden!
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