Und wer nicht sein Kreuz trägt
und mir nachkommt,
der kann nicht mein Jünger sein.
(Lukas 14:27)
Der Reformer und Mystiker Thomas von Kempen wurde um 1380 im Ort Kempen am Niederrhein geboren. Mit 13 Jahren kam er in ein katholisches Internat, wo er mit einer Frömmigkeitsbewegung in Kontakt kam, die den praktizierten Glauben betonte. 1414 wurde Thomas von Kempen zum Priester geweiht.
Von Kempen schrieb viele Bücher, von denen ‚Nachfolge Christi‘ das bekannteste sein dürfte. Neben der Bibel gehört dieses 1418 verfasste Buch bis heute zu den meistverbreitetsten und übersetzten christlichen Büchern, die sowohl im katholischen, wie auch im reformatorischen und evangelikalen Raum gelesen werden. In diesem Buch schreibt Thomas von Kempen:
„Jesus hat viele, die sein Himmelreich lieben, aber nur wenige, die sein Kreuz tragen. Er hat viele, die Trost suchen, aber nur wenige, die Leid wünschen. Er findet viele, die sein Festmahl teilen, aber nur wenige sein Fasten. Alle wollen sich mit ihm freuen, aber nur wenige sind bereit, für ihn zu leiden. Viele folgen Jesus zum Brotbrechen, aber nur wenige zum Trinken des Kelches seiner Passion. Viele bewundern seine Wunder, aber nur wenige folgen ihm in der Demütigung seines Kreuzes. Viele lieben Jesus, solange sie keine Not erleiden. Viele loben und segnen ihn, solange sie Trost von ihm erfahren. Doch wenn Jesus sich zurückzieht, verfallen sie in Klagen und völlige Niedergeschlagenheit.
Wer Jesus um Seiner selbst willen und nicht um seines eigenen Trostes willen liebt, segnet ihn in jeder Not und Herzensangst, nicht weniger als in der größten Freude. Und selbst wenn er ihnen nie Trost spenden wollte, würden sie ihn immer loben und ihm danken.
Wie mächtig ist doch die reine Liebe Jesu, frei von allem Eigennutz und aller Selbstliebe! Sind sie nicht alle Söldner, die immer nur nach Bequemlichkeit streben? Verraten sie sich nicht als egozentrische Menschen, die immer nur an ihren eigenen Vorteil und Gewinn denken? Wo findet man jemanden, der bereit ist, Gott ohne Belohnung zu dienen?
Selten ist jemand so geistlich, dass er sich völlig von der Selbstliebe löst. Wer kann jemanden nennen, der wahrhaft arm im Geiste und völlig losgelöst von den Geschöpfen ist? Sein seltener Wert übersteigt alles Irdische. Selbst wenn ein Mensch alles hergibt, was er besitzt, ist es nichts. Und selbst wenn er schwere Buße tut, ist es wenig. Und selbst wenn er alle Erkenntnis erlangt, ist er noch weit von seinem Ziel entfernt. Und selbst wenn er große Tugend und glühende Hingabe besitzt, fehlt ihm doch vieles, insbesondere das „eine, was ihm nötig ist“ (Lukas 10,42). Und was ist das? Dass er sich selbst und allem anderen entsagt und sich selbst völlig verleugnet, ohne eine Spur von Selbstliebe zu bewahren. Und wenn er alles getan hat, was er tun sollte, soll er fühlen, dass er nichts getan hat. Er soll nicht für groß halten, was andere für groß halten, sondern sich wahrhaftig als unnützen Diener bekennen. Denn dies sind die Worte der Wahrheit selbst: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, so sagt: Wir sind unnütze Knechte“ (Lk 17,10). Dann kann man ihn zwar arm und nackt im Geiste nennen und mit dem Propheten sagen: „Ich bin allein und arm“ (Ps 25,16). Doch niemand ist reicher, mächtiger und freier als der, der sich selbst und allem anderen entsagt und sich an den niedrigsten Platz stellt.
Das mag in unseren Ohren etwas unrealistisch klingen, was verschiedene Gründe haben kann:
1. Sprache und Beschreibungen kamen vor 600 Jahren anders zum Ausdruck.
2. Die Menschen waren damals eher „schwarz/weiß“ Aussagen gewohnt.
3. Der Mann war abgehoben und extrem
4. Wir haben uns so weit von der Tiefe der Aussagen Jesu entfernt, dass von Kempen extrem erscheint.
Man mag unterschiedlich denken über die Radikalität der Worte eines Thomas von Kempen. Aber ohne Zweifel hat der Herr ihn gewaltig gebraucht – trotz seiner Ansichten ... oder vielleicht gerade deswegen?